Programmieren, das machen Menschen mit Dobrindt-Brille, die zwischen Pizzakartons wohnen, dachte Hajo. Doch kommt man wirklich durchs Leben ohne diese Weltsprache aus Einsen und Nullen zu kapieren, die die Welt regiert? Da hilft nur ein Programmierkurs. Und Wolfgang.   

 

 

Sie heißt Virginie und spricht Englisch mit einem süßen französischen Akzent. Ich denke an Jane Birkin, aber nur sehr kurz, weil Professorin Virginie Galtier über „Android“ redet oder „functionalities“. Um „user interface“ zu dechiffrieren, musste ich mehrmals zurückspulen. Virginie Galtier ist IT-Expertin, meine Lehrerin und versucht das Unmögliche: mir in vier Wochen beibringen, eine App zu programmieren. Ich. App. Programmieren. Eher werde ich Dschungelkönig.

Ich bin seit jeher ein Standortproblem. Mein Mathe-Unvermögen habe ich jahrzehntelang ironisch kompensiert. Es mag ein Erbe der Achtundsechziger sein, alles Technische als irgendwie kapitalistisch und potenziell weltzerstörend zu betrachten, den aufgeblasenen Diskurs des Geisteswissenschaftlers hingegen für angewandtes Weltverbessern. Insgeheim habe ich Ingenieure bewundert, aber öffentlich eher verlacht als sozial inkompatible Cordhosenträger, die sich für Thermodynamik interessierten anstatt für Kommilitoninnen. Und Programmierer erst: im Hoodie zwischen Pizza-Kartons, Nerds mit Dobrindt-Brille, die auf Parties unsicher nach Opfern spähen, die Monologe über „League of Legends“ ertragen.

Dummerweise haben nicht Politologen milliardenschwere Digitalfirmen zusammenprogrammiert, die die Welt regieren, sondern eben jene Kapuzenjungs. Ein wenig Demut ist wohl angeraten, vor allem aber das Eingeständnis: Die wissen mehr. Und ich habe nicht die geringste Ahnung, wie die Geheimwissenschaft des 21. Jahrhunderts funktioniert. Ich ahne allenfalls, dass Algorithmen nichts mit Musik zu tun haben und dass Computer seit Konrad Zuse nach dem binären Prinzip funktionieren: Eins/Null.

Unwissenheit sei kein Schicksal, erklärte die Chefin neulich ganz allgemein. Jaja, ich habe verstanden. Wie soll ich als Journalist, Vater, Wähler, Konsument das globale digitale Schleppnetz kapieren, wenn ich nicht mal Einsen und Nullen auf eine sinnvolle Reihe bekomme? Schon klar, um ein Auto zu fahren, muss ich nicht das Getriebe zerlegen können. Aber Öl- und Reifenwechsel sollte man draufhaben.

„Kein Problem“, sagt Wolfgang. Doch, denke ich, aus alter Gewohnheit. Wolfgang war auch mal Journalist, hat aber vor einigen Jahren den Ausstieg geschafft, weil er sich aus Neugier die Grundzüge des Programmierens beigebracht hat, mit einem Online-Kurs. „Programmieren ist ganz einfach“, sagt Wolfgang. „Du mich auch“, denke ich. Inzwischen schreibt er eigene Software. Ich spüre gleich stark Neid und Zweifel, aber wenig Bill-Gates-Feuer. Wolfgang hat mich bei Coursera angemeldet, neben edX und Udacity einer der weltgrößten Anbieter von Online-Kursen, die weltweit zusammen angeblich 50 Millionen Menschen trimmen. Kann es sein, dass ich der Untalentierteste von allen bin? Unwahrscheinlich, aber möglich. Für gut 40 Euro Kursgebühr will mir Virginie Galtier nun beibringen, ein Mini-Programm zu schreiben, das Euro in britische Pfund umrechnet, eventuell auch eine Geburtstags-App, die Sternzeichen und absolvierte Lebenstage ausrechnet. Vermutlich wird kein Milliarden-Startup entstehen, aber vielleicht eine Therapie gegen Technikphobie.

Die erste Woche verlief in tückischer Harmlosigkeit. Virginie zeigte mir Bauklötze und Strichmännchen, ich wartete auf Peter Lustig und den kleinen blauen Elefanten. Zum Ende der Woche sollte ich eine Art Drehbuch aufmalen, was meine App genau leisten können würde. Sogar den Test am Ende bestand ich. Ich hatte mir Programmieren, nun ja, ein klein wenig komplexer vorgestellt. „Kommt alles noch“, sagte Wolfgang, „als nächstes müssen wir erst mal unsere Technik zum Laufen bringen.“ Toll, dachte ich, mein Spezialgebiet. Fortsetzung folgt.

 

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