Um seine Smartphone-Sucht zu heilen, ist unser Kolumnist vor einigen Jahren zurückgekehrt zum guten, alten Handy, auch wenn die Kinder sich dafür schämen. Aber genügen Telefon und SMS in digitalen Zeiten wirklich? Leider nicht. Höchste Zeit, technisch aufzurüsten.

 

 

Ich liebe mein Handy, auf diese zauberhafte Weise, wie nur Männer technische Geräte lieben, Sitzrasenmäher, Monstergrills oder Kettensägen, die ich aber leider nicht besitze. Zugegeben, mein Handy ist etwas klobig, dafür ein unverwüstliches Outdoor-Gerät, der Lada unter den Mobiltelefonen, mit drei wunderbaren Funktionen: Telefon, SMS, Taschenlampe. Der Akku hält mehrere Wochen, und wenn mein Fahrradlicht mal wieder schlapp macht, geleitet mich die eingebaute Lampe sicher nach Hause.

„Pack das Ding weg!“, zischen meine Söhne, wenn ich beim Italiener das ziegelförmige Symbol meiner Individualität auf den Tisch lege. Nichts da. Mögen Angeber mit ihrem Tesla-Schlüssel klappern, ich halte meinem Handy eine preußenmünsterhafte Treue, denn es ist wasserdicht, stoßfest und garantiert App-frei – ein Horror für Google und NSA. Bei mir gibt es praktisch keine Daten abzugreifen. Kleines Problem: Warum lerne ich dann, Apps zu programmieren?

Zudem macht mich mein Handy langsam einsam. Das Telefonieren kommt aus der Mode, auch die SMS hat einen schweren Stand gegen WhatsApp. Bisweilen irre ich ein wenig hilflos durch deutsche Kleinstädte, weil ich nicht über einen digitalen Wegweiser verfüge. Früher gab es im Bahnhofsbuchhandel Stadtpläne, die mit der Zeit malerisch zerfledderten. Paah, ich navigiere nach dem Sonnenstand, wie Indiana Jones. Was hilft mir nach einem Flugzeugabsturz in der Wüste die digitale Navigation? Ich aber werde mit meiner Taschenlampe und dem Monsterakku von den Suchtrupps gefunden. Mit meinem Handy ist es wie mit Karohemden, Tennissocken und Vinylschallplatten. Eines Tages werde ich Trendsetter sein, alles eine Frage der Geduld.

Manchmal, wenn ich Nostalgiebedarf habe, schaue ich in unsere Schublade der digitalen Leichen: das alte Siemens S4 mit der Ausziehantenne, ein Fehlkauf namens Philips Twist, das aussieht wie von Luigi Colani gestylt, ein halbes Dutzend zierlicher Nokias verschiedenster Epochen, die geschrotteten Samsungs der Söhne, ein Stapel seelenloser iPhones. In einem dieser Geräte schlummert die Nummer von Jürgen Trittin. Handys sind wie Laufschuhe: Sie bergen Geschichte, Träume, Größenwahn, Niederlagen – die wirft man nicht weg. Und die Rohstoffe erst. In Tokio werden die Medaillen für Olympia 2020 aus den Innereien alter Mobiltelefone gefertigt. In unserer Schublade dürfte Edelmetall für den kompletten Deutschland-Achter liegen.

Lange folgte meine Handy-Philosophie dem teurer-schneller-komplexer. Vor vier Jahren dann der Bruch: Meine Smartphone-Sucht war nicht länger zu leugnen. Wie ein Alkoholiker, der sich selbst therapiert, indem er den Schnaps aus der Wohnung schafft, kehrte ich zurück zum Nur-Telefon. Wie will man Kinder zu maßvollem Smartphone-Gebrauch anleiten, wenn man selbst dauernd aufs Display lugt? Außerdem habe ich eine Emoji-Allergie.

Dann kam der Tag, als ich auf dem Bahnhof in Dortmund stand, hilflos gefangen in jener Lotterie namens Bahn-Anschlüsse. Es ist entwürdigend, wenn man die Chefin in Berlin anrufen und bitten muss, die aktuellen Verspätungen durchzusagen. Und noch diese Konferenz, die ihr Programm nicht mehr auf Papier anbot, sondern nur noch als App.

„Du brauchst wieder ein Smartphone“, befahl die Chefin. Mobiltelefone sind nun mal die neuen Autos, sichtbares Zeugnis von Einkommen, Weltbild und Status. Aber welches Smartphone passt zu mir? Die Jagd beginnt.

 

 

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