Ökologisch, praktisch, moralisch sauber – so soll das neue Mobiltelefon unseres Kolumnisten sein. Die erschreckende Erkenntnis: Solch ein Gerät gibt es nicht. Wie kann ein erträglicher Kompromiss aussehen?

 

 

Es war ein Fehler, meinen 14-jährigen Sohn zu fragen, welches Smartphone ich mir zulegen solle. Während seines atemlosen Monologs über Speicher, Pixel und Prozessoren zieht der junge Mann mich vor den Bildschirm seines chinesischen Modells, um mir auf YouTube drei Herren zu zeigen, die schrill-verzückt schreien, während sie Pappkartons öffnen. Sie packen Smartphones aus, auf Digitalisch „Unboxing“. Kleiner Exkurs in Jugendkultur: Während ältere Herrschaften sich durch bunte Prospekte der Tageszeitung wühlen, schauen unsere Kinder dem Technikfaultier, Alexibexi und Felixba dabei zu, wie sie zärtlich an Smartphones herumfingern, verwirrend viele Zahlen referieren und dabei so kumpelhaft lustig sind wie Teleshopping-Moderatoren. Die drei üben den jungen Beruf des Influencers aus, Menschen wie Cathy Hummels, die schwören, niemals Reklame für die befingerten Produkte zu machen.

„Du brauchst ein iPhone“, sagt mein Sohn, was mich ehrt, da er meinen soziodemografischen Status aufs Angenehmste überschätzt. Die zwangsläufige Kostendebatte mit der Chefin hingegen unterschätzt er deutlich. Die Universität Lancaster fand zudem heraus, dass iPhone-Besitzer weniger offen, ehrlich und bescheiden seien als Normalmobilisten.

Besuch im Elektronikmarkt. In einem Meer von Smartphones lauern schnell sprechende Verkäufer, auf Digitalisch: Personal Influencer. Ich berichte von unserer heimischen Mischtechnik aus chinesischen, koreanischen und amerikanischen Geräten, die von einem deutschen Konzern vernetzt sind. Der Fachmann wiegt den Kopf und murmelt, dass man „da dringend was machen“ müsse. Ich will aber gerade nichts machen. Flucht ohne Sohn, der in der Game-Abteilung untergetaucht ist.

Jetzt noch mal ganz von vorn: Was genau will ich? Mein künftiges Statussymbol soll bezahlbar sein, leicht zu bedienen, robust, reparierbar, weder aus Kinder- noch Sklavenarbeit stammen oder Rohstoffe blutiger Herkunft in sich tragen. Der ostkongolesische Bischof François-Xavier Maroy Rusengo tourt um die Welt, um den Zusammenhang zwischen dem Bürgerkrieg in seinem Heimatland und Mobiltelefonen zu erklären. Denn im Kongo gibt es, wie in Ruanda auch, den Zauberstoff Coltan, der für Handy-Kondensatoren gebraucht wird. Coltan wird für lächerliche Löhne abgebaut, auf dem Weg ins Smartphone vervielfacht sich der Preis dann. Wie beim Kokain stecken finstere internationale Clans hinter dem Millionengeschäft. Gibt es coltan-freie Mobiltelefone? Nein. Also bedeutet jedes Neugerät einen Beitrag zu Bürgerkrieg und Ausbeutung.

Einhellige Auskunft von Verbraucherzentrale, Greenpeace und Germanwatch, einer Organisation für globale Fairness: Ein Gerät, wie ich es gern hätte, gibt es nicht, allenfalls Kompromisse. Am ökologischsten sei ein gebrauchtes Gerät, das am wenigsten problematische unter den Neuen ein Fairphone, dessen Komponenten so umwelt- und sozialverträglich wie möglich zusammengestellt sind. Ich kenne eine Fairphone-Besitzerin, die ihr gutes Gewissen mit einer Reihe technischer Probleme bezahlt. Charakterfrage: Kaufe ich, wie Millionen andere Menschen, dennoch ein neues Smartphone und spende zur moralischen Entlastung an Bischof Maroy Rusengo? Oder verrate ich damit meinen digitalen Neubeginn von Anfang an?

Ausgerechnet zielloses Googeln führte mich schließlich zu AfB, einem Unternehmen für grüne und soziale IT. Menschen mit und ohne Behinderung arbeiten Geräte auf, die nicht mehr gebraucht werden oder verkaufen ungebrauchte, aber ältere Smartphones, die aus den schnell drehenden Modellpaletten geflogen sind. Ich bestelle für 80 Euro ein nicht mehr brandaktuelles, aber vollwertiges Samsung Galaxy 4 mini, das ich vor dem Verschrottungstod rette. Fühlt sich an, als gebe man einem Hund aus dem Tierheim ein neues Zuhause. Die Söhne lächeln mitleidig. Aber ich bin wieder mobil im Netz. Kehrt die Sucht nun zurück? Mal sehen.