Das Smartphone quillt über vor Apps, Fotos und anderem Datenmüll. Höchste Zeit für den digitalen Frühjahrsputz. Oberste Regel: im Zweifel löschen.
Corona erinnert mich an Januar. Am Anfang hat man noch gute Vorsätze. Zuerst viel Sport. Man hat ja Zeit. Also die fünf tollsten Apps runterladen. Leider sehen die ersten Verrenkungen auf dem Wohnzimmerteppich nicht ganz so flüssig aus wie auf den Bildern. Und dann dieses Ziehen im unteren Rücken. Damit ist nicht zu spaßen. Erstmal zum Orthopäden, wenn wieder Ausgang ist. Na gut, lernen wir eine Sprache, Finnisch wäre toll. Also ein halbes Dutzend Sprach-Apps geladen. Leider ist Finnisch überall gleich schwer. Na gut, dann Abhängen mit alten Freunden, mit den Apps „Houseparty“ oder „Zoom“. Auch langweilig. Dann eben Filme. Und Spiele. Und Podcasts.
Kaum geht der erste Corona-Monat ins Land, quillt das Smartphone über vor kleinen bunten Bildchen, die man kaum noch zuordnen kann. Dafür fressen sie Speicher, Tempo, und vor allem schnüffeln sie herum. Jedes Kleinprogramm, das über den App Store scheinbar kostenlos geladen wird, hat seine Daten beim Datenkonzern Google abzuliefern. Dummerweise wissen wir nicht mal, welche Informationen welche App überhaupt liefert. Was wie ein lustiger Psychotest aussieht, kann als Grundlage für Wahlmanipulation dienen, wie wir beim Fall Cambridge Analytica gelernt haben, jenem Unternehmen, das Donald Trump mit Facebooks Hilfe mutmaßlich zum US-Präsidenten gemacht hat. Und bis heute rätseln Experten, ob das chinesische TikTok, die erfolgreichste App der vergangenen Jahre, wirklich nur belanglose Kurzfilmchen verbreitet oder gleichzeitig auch ein Trainingsprogramm für Gesichtserkennungs-Software ist, weil sie die Regungen der Nutzer erkennt und zuordnet.
Höchste Zeit für einen Frühjahrsputz im Smartphone, der ruhig rigoros ausfallen darf. Ich habe meinem Smartphone eine radikale Diät verpasst. Erstens erlaube ich mir nur eine Seite voller Apps, überwiegend Nutzanwendungen für Reise, Tickets, Orientierung. Für jede neue muss eine alte verschwinden. Auf einer zweiten Seite, die ich aber kaum besuche, sind die unlöschbaren vorinstallierten Apps geparkt. Kompromisslos gilt: weder Social-Media-Anbieter noch Spiele. Nur den Nachrichtenseiten der guten Zeitungen kann ich nicht widerstehen. Benachrichtigungen, dass neue Storys im Angebot sind, erreichen mich dagegen nicht. Geschichten, die mit den Worten „US-Präsident Donald Trump ….“ beginnen, enden ohnehin zuverlässig mit irgendeiner Idiotie. Also alle Töne leise gestellt, bis auf das Anrufklingeln von Familienmitgliedern und guten Freunden.
Im nächsten Schritt folgt eine Friemelarbeit, die in etwa dem Fugensäubern eines Bürgersteigs entspricht: Die Rechte jeder übergebliebenen App werden begutachtet und im Zweifel eingeschränkt. Die netten kleinen Dinger fragen ja immer leutselig, ob sie Kamera, Mikrofon oder Standort erfassen dürften. Was sie nicht sagen: Ein umfassendes „Ja“ gilt praktisch bis in alle Ewigkeit. Braucht die App im Einzelfall den Ort oder die Kamera, kann man den Zugriff „einmal“ erlauben. Das bedeutet zweimal mehr Drücken. Und das ist gut so. Denn der Nutzer wird immer wieder daran erinnert, dass die bunten kleinen Gesellen nicht nur Nützlinge sind, sondern auch Spione. Eine Karten-App braucht keinen Zugriff auf meine Kontakte, kein Musikanbieter benötigt meinen Standort.
Und wer dann immer noch Zeit und Lust hat, kann sich endlich mal an all die Fotos machen, die man irgendwann mal irgendwo gemacht hat, aber: Warum? Nur die guten, also die wirklich exzellenten, auf dem Rechner speichern, der Festplatte oder gleich in die Cloud. Und den Rest? Weg damit.
Die drängendste Frage bei jeder dieser Operation wird stets lauten: Wird mir etwas fehlen, was kann ich verpassen, werde ich davon irgendwas jemals wieder brauchen? Die Antwort lautet: Nein, nichts, weg damit. Für Rucksack wie für Smartphone gilt die alte Bergsteigerregel: Das beste Gepäck ist leichtes Gepäck.
Nützliche Links zum Smartphone-Aufräumen:
https://www.dasding.de/lifestyle/smartphone/digitaler-fruehjahrsputz-apps-100.html
https://futurezone.at/apps/fruehjahrsputz-die-besten-cleaner-apps-fuer-ios-und-android/400773315
https://www.smartphonepiloten.de/ratgeber/smartphone-aufrauemen
https://praxistipps.chip.de/speicher-vom-iphone-ist-voll-so-schaffen-sie-platz_28802
Film:
Digitaler Minimalismus: https://www.youtube.com/watch?v=sK3ZL7Vrr5c
Speicherplatz: https://www.youtube.com/watch?v=vteJH8aG0Kg
App:
https://www.chip.de/downloads/Cleaner-by-Augustro-Android-App_172597947.html
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