Achtung Youtuber, Konkurrenz von den Boomern: Deutschlands bekanntester Wissenschaftsjournalist hat technisch aufgerüstet: Ab sofort sendet Ranga Yogeshwar aus seinem Studierzimmer.

 

Vor zwei Jahren war der Schreibtisch vorbildlich aufgeräumt. Bildschirm, Tastatur, Block, Stift – das war‘s. Nicht schlecht für einen Privatgelehrten wie Ranga Yogeshwar, den seine wissenschaftliche Neugier täglich in neue Welten treibt. Heute ist der Schreibtisch kaum noch zu sehen zwischen Scheinwerfern, Monitoren, Steuergeräten, Mikrofonen und Kopfhörern. Yogeshwar, 61, hat die virusbedingte Auszeit genutzt, sich einen alten Traum zu erfüllen: maximale Unabhängigkeit von Sendern und Hierarchien, eigenständiges Anfertigen von Filmen, Dokumentationen und Vorträgen, die sich aus einem Weiler bei Hennef in bester Qualität rund um die Welt schicken lassen.

Fröhlich bricht Yogeshwar damit ein ins Reservat der relativen Jugend: YouTube. Zu den bunten Strähnen gesellen sich nun dezent melierte Boomer, die sich fortgebildet haben. Wer bei einem traditionellen Medienhaus diente, kennt das Arbeiten in Einzelschritten. So entstanden zahlreiche Berufsbilder, aber auch Hierarchien, starre Abläufe und Abhängigkeiten. Die Generation YouTube genießt dagegen Freiheit. CDU-Zerstörer Rezo hat die legendären 17 Millionen Klicks ab Mai 2019 allein mit seinem Technikkumpel hinbekommen. Aber das eigenständige Produzieren von der ersten Idee bis zum fertigen Film ist keinesfalls den Influencern vorbehalten. Hat man sich aus öffentlich-rechtlichem Hierarchendenken befreit, das Yogeshwar ohnehin nie pflegte, steht die Tür zur neuen Karriere offen. Kamera, Ton, Schnitt, Moderation – „ich mache alles selbst“, sagt der Tüftler nicht ohne Stolz. Einen Teil der Software hat Yogeshwar – T-Shirt-Aufschrift: „Nerdish by nature“ – selbst programmiert, die Anlage steuert er vom Smartphone. Zudem hatte Deutschlands bekanntester Wissenschaftsjournalist keine Hemmungen, sich von Rezo oder der Quarks-Moderatorin und Chemikerin Mai Thi Nguyen-Kim beraten zu lassen. „Reverse Mentoring“ heißt, dass sich Ältere, die eigentlich alles besser wissen und können, Tipps vom Nachwuchs holen.

Yogeshwars Erstlingswerk über die Notwendigkeit des Lockdowns vor zwei Monaten geriet noch etwas holperig, schaffte aber sportliche 200.000 Abrufe. Dieser Tage veröffentlicht Yogeshwar seine nächste Eigenproduktion, ein exklusives Stück über die vermutlich unterschätzte Gefahr von Klimaanlagen bei der Ausbreitung des Virus. Dafür hat er bislang wenig berücksichtigte Forschungsarbeiten aus aller Welt zusammengetragen und zitiert eine ganz frische Studie der Virologie-Professoren Melanie Brinkmann und Adam Grundhoff, die vor dem Shutdown in Gütersloh in der Zerteilerei der Fleischfirma Tönnies forschten. Die Forscher verfolgten Infektionsketten und -wahrscheinlichkeiten und berücksichtigten sogar die genetischen Eigenarten der Erreger. Bei aller Vorsicht – siehe Heinsberg – gibt es Hinweise, dass die Gütersloher Welle weder auf Massenquartiere noch auf übervolle Kantinen zurückzuführen sind. Yogeshwar: „Es mehren sich Indizien, dass Klimaanlagen beim Verteilen des Virus eine bislang womöglich unterschätzte Rolle spielen.“ So ließe sich auch erklären, dass die Infektionen ausgerechnet in Regionen mit ausgeprägter Air-Condition-Kultur wie den sommerlich heißen Bundesstaaten der USA, aber auch Israel dramatisch in die Höhe schnellen, vor allem, wenn hohe Luftfeuchtigkeit das Virenleben verlängert. In diesen Tagen wird Yogeshwars brisantes Heimwerker-Stück auf YouTube zu sehen sein.

Yogeshwars neues Leben als Silver Rezo spricht sich herum in Boomer-Kreisen. Immer wieder rufen Kollegen an, wollen sich das Selfmade-Studio anschauen, kritzeln To-Do-Listen und Einkaufszettel. Yogeshwar warnt allerdings vor übergroßen Erwartungen. Auch ein YouTube-Beitrag braucht Recherche, Wissen, Akribie und fast immer mehr Zeit als gedacht. So wie im richtigen Leben.

 

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