TV, Musik, Nachhilfe, Yoga-App – wir schließen immer mehr Abos ab. Und verlieren langsam den Überblick. Das gehört zum Konzept. Denn unsere Verwirrung macht aus vielen kleinen Summen einen teuren Spaß.

 

Ich will nicht angeben oder nur ein klein wenig, jedenfalls abonnierte ich neulich die digitale Ausgabe des Wall Street Journal (WSJ), journalistische S-Klasse. Ich brauchte nur diesen einen Artikel, für die Netzentdecker übrigens, der aber nirgends im Netz gratis zu entdecken war. Das WSJ lockte mich zugleich mit einem Supersonderangebot: Zwei Monate Abo für zwei Euro, jederzeit kündbar. Das ist für einen einzigen Artikel zwar ziemlich teuer, andererseits würde ich zwei Monate im Gefühl baden können, bei den ganz Großen mitzulesen, Warren Buffett und so. Deal! Das Anmelden mit meinem Facebook-Profil und Kreditkartendaten dauerte drei Klicks.

Kaum war ich Abonnent, wollte ich mich auch schon wieder befreien, weil: „Jederzeit kündbar“. Aber leider erwies sich das WSJ als eine Art digitaler Hundehaufen, der sich im Profil meiner Sohle festkrallte. In der WSJ-Suche gab ich „finish“ ein, dann „end“, bis mir das Übersetzungsprogramm zu „cancel“ riet. Ich wurde zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen geleitet, dem Vorhof zur Hölle. Die Kündigungsseite ist die bestversteckte im WSJ-Kosmos. Nach zahllosen Klicks durch eine Frage-Antwort-Schleife erfahren, dass Abbestellen nur telefonisch möglich ist. Nummer in Frankfurt. Ohrenzersetzender Mix aus Panflöte und Klingelton. Nach acht Minuten meldete sich ein Mann, der offenbar zwei heiße Pellkartoffeln im Mund trug, was seinen irisch-schottischen Akzent mit walisischem Einschlag nicht leichter verständlich machte. Fazit: Die Spanne von Anmelden bis Abbuchen beträgt etwa ein Zehntel jener Zeit, ein Abo wieder loszuwerden.

Und das ist erst der Anfang. Wir steuern ins Zeitalter der Abos für alles, so lautet die Botschaft der Technikmesse CES in Las Vegas. Wir abonnieren Filme, Musik, Smartphone-Tarif, Fortbildung, Achtsamkeits-App, Nachhilfe für die Kinder und Gemüsekisten. Briten, die ihren Lieblingsklub durch Liga, Pokal und Champions League folgen wollen, löhnen für drei Bezahlsender. Das nächste heiße Ding sind interaktive Yogamatten und Trimmräder, mit denen zuhause trainiert wird während der Live-Coach anpeitscht und anhand der übermittelten Daten prüft, wer dem Infarkt zu nahe kommt. Die Preise klingen jeweils halbwegs günstig. Weil die Zahl der Abos aber stetig wächst und wir zugleich mit Kreditkarte, Lastschrift, PayPal, Google und Apple Pay und demnächst Facebooks eigener Währung Libra bezahlen, werden die Ausgaben immer unübersichtlicher. Und weil das Abbestellen selbst bei halbwegs seriösen Unternehmen eine Halbtagsaufgabe ist, verschieben wir die Kündigung gern um ein paar Wochen, solange, bis wir dann endgültig in der 24-Monats-Falle kleben. Die Abo-Umsätze sollen in diesem Jahr weltweit auf 100 Milliarden Dollar wachsen, Ende nicht in Sicht. Die Schludrigkeit beim Kündigen trägt zu den Gewinnen ordentlich bei; angeblich ist jedes dritte Abo nicht gewollt.

Das Hinterlistige am Abo-Kapitalismus: Er spielt mit unseren beiden bevorzugten Zuständen Bequemlichkeit und Verwirrung. Lockpreise, kinderleichtes Anmelden, unübersichtliche Regeln, kompliziertestes Loswerden, Verdrängen, Vergessen, all das addiert sich zu einem absichtsvollen Granulieren unseres Geldausgebens – zu viel Kleinvieh ist Mist, denn es sorgt für maximale Unübersichtlichkeit. Für meine Lebenshaltungslosten gilt zunehmend das Prinzip Flugreise: Zahllose Einzelposten (Ticket, Steuern, Gebühren, Kerosinzuschlag, Gepäck, bevorzugter Sitzplatz, Express-Check-In, Versicherung, Essen, Trinken), die womöglich noch auf verschiedenen Wegen bezahlt werden, summieren sich  am Ende zu einer fetten Gesamtrechnung. Neue Apps soll nun helfen, die vielen Abos zu verwalten und zu optimieren oder besorgen Kredit. Muss man aber erst mal abonnieren.