Digitales Kommunizieren bedeutet: Emojis verwenden. Doch wofür stehen die Symbole? Unser Kolumnist Hajo Schumacher scheitert kläglich mit seiner Bildsprache.

 

 

Neulich wollte ich die Kinder für Sonntag zum Essen einladen. Weil wir eine demokratische Familie mit Ernährungsfimmeln sind, lasse ich abstimmen, natürlich digital, denn die Jungs telefonieren ungern und halten Texte mit mehr als drei Wörtern für eine Zumutung. In einem Anfall heiterer Kreativität postete ich in der WhatsApp-Gruppe „Familie“ eine Tomate, eine Aubergine, einen Salatkopf, eine Brezel, einen Schweinerüssel und drei Humpen Bier, dazu die Worte: „So, wann, wo?“. Die Botschaft ist ja wohl ebenso lustig wie klar: ironisch mit Gemüse antäuschen, Schnitzel und Bier als Lockstoff, am Sonntag, welches Restaurant, welche Uhrzeit?

Die Antworten waren leider nicht so eindeutig. Der große Sohn antwortete „W?T?F?“, was meines Wissens Missfallen bekundet, zu übersetzen mit „Was zum Teufel soll der Unsinn?“. Könnte aber auch „Wiener? Thai? Fisch?“ bedeuten. Der Kleine schrieb nur „picnic“, was mich ratlos machte. Und die Gattin postete „LdL“ plus Grinse-Smiley. Ob sie „Lol“ meinte, also lautes Lachen? Oder spielte sie auf meine Cholesterin-Werte an?

Digitale Kommunikation hat Tücken, wie die „Medienreichhaltigkeitstheorie“ bestätigt: Je komplexer die Inhalte, desto vielfältigere Zwischentöne sollte der Kanal ermöglichen. Im Gespräch bieten Tonfall, Gestik, Lautstärke viele Nuancen, zudem besteht die Chance zur Rückfrage. Ein WhatsApp-Post dagegen hat nur kalte Buchstaben, weswegen Symbole für Zwischentöne und Gefühle sorgen sollen, was ungefähr so zuverlässig funktioniert, als hätten die Sumerer ihre Keilschrift mit Höhlenmännchen aus Lascaux aufgemotzt – ein Quell des Missverstehens bei 3.000 Emojis. Zusammengepresste Handflächen können „Danke“ oder „Bitte“ bedeuten, aber auch ein Gebet, Meditation oder Flehen. Es soll Menschen geben, die den braunen Haufen für Schokolade halten. Und der Schweinerüssel lässt sich als Glückwunsch oder Beleidigung interpretieren. Ein Vermieter in Israel wurde für eine heitere Emoji-Reihe zu 2.000 Euro Strafe verurteilt. Ein deutscher Arbeitnehmer kam dagegen mit einer Ermahnung davon, als er seinen Chef mit einer Schweineschnauze beschrieb. Ob Grinse-Smiley, rausgestreckte Zunge (:-P) oder Semikolon-Zwinkern (;-)) als Ironie-Hinweis und mithin strafmildernd gelten, ist in der Justiz umstritten. Hinzu kommt, dass verschiedene Systeme und Geräte-Generationen verschiedene Emojis darstellen, etwa Wasserpistolen als echte Knarren. Mein altes Samsung dagegen bevorzugt das Fragezeichen.

Nur bei der Aubergine ist die Botschaft klar: Sie gilt international als Phallussymbol, was ich beim Salat-Post leider noch nicht wusste. Der große Sohn hat mit „W?T?F?“ also offenbar keine Restaurant-Vorschläge gemacht. Ach du Schreck: Was der Kleine wohl verstanden hat? Mein Anruf erreicht ihn auf dem Schulhof, wo Mobiltelefone verboten sind. „Was heißt `picnic`?“, will ich wissen. „Problem in chair not in computer“ erklärt er prustend. Ich fühle mich sehr analog. Bleibt die Gattin mit „LdL“. Hier ist die Panik unbegründet. „Land des Lächelns“, erklärt sie, ihr bevorzugtes asiatisches Wirtshaus.

Und jetzt? Zurück zu ganzen Sätzen? Gar zum Telefon? Briefe als PDF versenden? Soll ich die Schreibfaulheit der Kinder noch fördern und auf Sprachnachrichten umstellen? Ich versuche was Verrücktes und schreibe das Symbol als Wort. An dieser Stelle würde zum Beispiel das „An–die-Stirn-tipp-Emoji“ passen. So signalisiere ich analoge Selbstironie. Den Kindern schicke ich „Pizza-Ecken-Emoji“, was sie hoffentlich als Restaurant-Vorschlag verstehen. Der Große antwortet postwendend: „Emoji-Ausschreiben – machen Böhmermann und Sonneborn auch.“ Stolz. Endlich gleichauf mit Deutschlands Humor-Elite.