Er hat es getan: NRW-Ministerpräsident Laschet hat sich eine VR-Brille aufgesetzt und ist in die virtuelle Spielewelt eingetaucht. Sein Fazit: „Faszinierend.“

 

 

Wir sind tolle Kerle, jedenfalls fühlen wir uns so: Schießen wie Clint Eastwood, Tanzen wie John Travolta, Kapern wie Jack Sparrow. Mit einer VR-Brille auf der Nase dürfen sich selbst mäßig beleumundete Berufsgruppen wie Journalisten oder Politiker in eine heile Heldenwelt katapultieren. Im Silicon Valley nimmt man dafür angeblich eine Minidosis LSD, in Düsseldorf besucht man das Holo-Café, ein Vergnügungsbetrieb in bester Lage, der sich auf Spiele in künstlichen Realitäten spezialisiert hat. Armin Laschet zieht die VR-Brille vom Kopf und sieht gleichermaßen ein bisschen verwirrt wie ziemlich beeindruckt aus. „Faszinierend“, sagt er, halb Spock, halb Staatsmann. Deutschlands wichtigster Ministerpräsident – auch wenn Markus Söder das anders sieht – hat sich mit seinen 58 Jahren erstmals in die Spielewelt der Zukunft begeben. VR-Brillen dienen Ingenieuren, Entwicklern, Service-Kräften, aber eben auch Spielfreunden, die sich zwischen Mumien und Monstern tummeln mögen.

Wir hätten programmatisch „Chaos Commander“ spielen können, aber als Anfängern wird uns zu Geschicklichkeitsspielen mit Altersfreigabe ab sechs Jahren und Barbie-Design geraten. Nun füttern wir Schweine, ballern auf einer staubigen Dorfstraße herum und zappeln in einer virtuellen Disco. Virtual-Reality-Brillen sind nicht nur für die Akteure lustig, sondern auch für die Zuschauer. Bewegungen, die den Spielern in ihrer künstlichen Welt normal vorkommen, sehen für Außenstehende wie sinnloses Gezappel aus.

Aus Angst vor merkwürdigen Bildern würde sich manch verkrampfter Politiker eine solche Brille bestenfalls mal kurz aufsetzen, aber nicht damit herumhampeln. Laschet aber ist kein Imageknecht, sondern der normalste unter den aktuellen Kanzlerkandidaten-Kandidaten der Union, der das chronisch depressive Bundesland NRW langsam aus der Nostalgiefalle befreien will. Die milliardenschwere Spieleindustrie etwa fühlt sich wohl in NRW. Und Laschet will wissen, was die Faszination dieser Branche ausmacht.

Sebastian Kreutz, 35, hat mit zwei Gefährten das Holo-Café erfunden, gestaltet, Spiele und Abrechnungstechnik programmiert und ein komplettes Franchise-Modell entwickelt. Vier Cafés gibt es bereits, nun soll der Rest der Welt erobert werden. Zielgruppe sind keinesfalls nur Profizocker, sondern Kindergeburtstage und Firmenfeiern. „NRW ist der optimale Standort für Spielentwicklung“, sagt Kreutz anerkennend, der früher bei der Piratenpartei war, also kulturell fern der alten CDU.

Der Ministerpräsident ist mit Brettspielen aufgewachsen und hat im heimischen Keller allenfalls noch eine altertümliche Playstation von seinen Kindern. Sein Sohn Joe Laschet betreibt inzwischen einen erfolgreichen Modeblog und berät den nach eigenem Bekunden „twitter-süchtigen“ Vater in Sachen digitaler Kommunikation. Was Trumps Twitterei angeht, hegt Laschet gemischte Gefühle: Die bisweilen brachialen Tweets des US-Präsidenten könnten das Ende einer halbwegs gepflegten politischen Kommunikation bedeuten und womöglich den Beginn einer neuen, ungemütlicheren.

Spätestens seit dem Besuch der weltweit größten Spielemesse Gamescom in Köln jedenfalls, dem Sehnsuchtsort aller Knirpse, ist dem CDU-Mann die Macht der Spielebranche klar. Während eine CeBIT verschwindet und eine IAA strauchelt, boomt die Zockermesse. Vor zehn Jahren führten die Parteien vorwiegend Killerspiel-Debatten, heute soll E-Sport olympisch werden. Und zur Eröffnung des Holo-Cafés kommt der Oberbürgermeister.

Und, Herr Ministerpräsident, erleben wir Sie demnächst häufiger mal beim Zocken? Immerhin spielt EU-Altkommissar Günther Oettinger online gern Skat und Kanzleramtsminister Helge Braun das Seuchendrama Plague. Im Prinzip schon, sagt Laschet, leider habe er da ein kleines Problem: Weil er vermutlich ganz schlecht aufhören könne, „fange ich damit gar nicht erst an“.