Fake News sind die Viren der digitalen Welt. Sie breiten sich unkontrolliert aus und machen krank vor Angst. Was hilft? Die gute alte Tageszeitung.

 

Die Sprachnachricht klang echt und besorgniserregend. Eine Freundin hatte die kurze Ansprache per WhatsApp geschickt, meine Gattin bekam sie via Facebook. Die Absenderin habe diese hochgeheimen News von einer Freundin erhalten, die sie von einer Freundin habe, deren Freundin in einer Uni-Klinik arbeite und durch Zufall an diese vertraulichen Informationen gekommen sei, die nicht veröffentlicht werden dürften, weil die Bevölkerung verunsichert werden könne. Kern der Nachricht: Ein rezeptfreies und sehr verbreitetes Schmerzmittel sei auf keinen Fall einzunehmen, da es das Ausbreiten des Virus begünstige. Ach du Schreck, dachte ich, und stürzte zum Medizinschrank. Wir hatten noch Vorräte ausgerechnet von jenem vermeintlichen Teufelszeug, sogar verschiedene Haltbarkeitsjahrgänge.

Schon bald stellte sich die Geheimnachricht als Unsinn heraus. Es ging nicht um das Verbreiten von Corona, sondern um die bekannte Eigenschaft des Mittels, die Blutgerinnung zu hemmen. So ähnlich verhielt es sich mit dem Ratschlag, viel Wasser zu trinken, damit das Virus weggeschwemmt werde oder Selbsttests mittels Luftanhalten. Bei digital übermittelter Lebenshilfe in Kettenbriefform gilt zunächst mal eines: Skepsis, Luftholen, Quelle und Plausibilität prüfen, Ruhe bewahren.

Zum Glück hat der digitale Kapitalismus noch eine ganze Menge großartiger Journalistenkollegen übriggelassen, die ihren Beruf gelernt haben und ernst nehmen. Sie steigen derlei digital verbreiteten Gerüchten umgehend hinterher, konsultieren Experten und erklären unaufgeregt. So bleiben die von den Milliardenkonzernen üblicherweise ungeprüften Enten einigermaßen auf sozialer Distanz. Was so alles an Schwachsinn durchs Netz geistert, prüft die wunderbare österreichische Webseite mimikama.at.

Fake News sind schlimmer als das Virus selbst. Sie verbreiten sich in affenartiger Geschwindigkeit und infizieren zahllose Menschen mit einer Krankheit namens Panik. Was bei Reklame funktionieren soll – deswegen ist die Rede von viralem Marketing ­–, das funktioniert in der Krise leider auch: das unkontrollierte Verbreiten nach dem Prinzip der Kettenreaktion. Daher gilt: Empörtes Weiterleiten von Falschmeldungen bleibt Weiterleiten. Wie bei Corona gilt: Erreger isolieren, Quatsch nicht weitergeben. Auch wenn Empörung sichere Likes bedeutet.

Und wieder sind wir bei einem der größten Ärgernisse der Digitalisierung: Milliardenunternehmen, die Bockmist verbreiten und damit bestens verdienen, weisen stets Verantwortung von sich, ob Terror oder Nazihetze, ob Kinderpornographie oder eben Seuchen. Facebook und die anderen Netzwerke verdienen ihr Werbegeld, wenn viele Menschen online sind und bleiben. Daher gilt: Wenn Sie auf Fake News A reingefallen sind, dann hätten wir noch B,C und D für Sie. Ob´s stimmt, prüfen wir lieber nicht, das würde das Geschäft kaputt machen. Je mehr Drama, desto länger wird auf den Schirm gestarrt, kurz: Dreck klickt gut und verkauft mehr Reklame. Die angeblichen Aufpasser und Löschmannschaften kommen nicht hinterher, den Mist wegräumen dürfen die klassischen Medien.

In der Krise merken wir, auf wen Verlass ist: auf Krawallportale, die ihre weltweite Reichweite nicht mal nutzen, um korrektes Händewaschen zu lehren oder aber auf biedere Formate wie den ARD-Faktenfinder, jede ordentliche Tageszeitung und deren Online-Angebote? Unser, wenn auch reformierungsbedürftiges, Mediensystem, sorgt in unübersichtlichen Zeiten für zuverlässige Information, unaufgeregte Fakten und Gelassenheit.

Nutzen wir die Zeit daheim, um unser digitales Alltagsverhalten zu beobachten. Wie aggressiv, ängstlich und süchtig macht uns der Daueralarm im Netz? In unserer kleinen Familie stellen wir derzeit vormittags und nachmittags das WLAN ab, um Ruheinseln zu schaffen. Soziale Distanz hilft, Viren zu stoppen. Distanz zu sozialen Netzwerken hilft, das Verbreiten von Unsinn und Panik zu bremsen.