Augenrollen, freche Abkürzungen oder gar keine Antwort. Hajo fragt sich, warum unsere Kinder nicht so höflich wie wir Erwachsenen kommunizieren.
Ich habe mir wirklich Mühe gegeben mit der Auswahl meines WhatsApp-Profilbildes. Dezent soll es sein, weltläufig, ein wenig selbstironisch. Man will ja nicht angeben, also weder Sportwagen noch Golftasche. Lieber ein spontanes Foto, ein wenig geheimnisvoll, damit mich die Datensammler mit ihrer Gesichtserkennungs-Software nicht sofort ausspionieren. Ich habe mich dann für einen Pferdekopf aus Keramikscherben entschieden, den ich mal in einem Skulpturengarten aufgenommen habe, keine Ahnung, wo und von wem. Luigi Colani wahrscheinlich. Aber der Gaul versprüht Heiterkeit mit Niveau. Mein perfektes Ich-Bild.
„Völlig daneben“, sagt Anna, eine kühle Studentin, die sich stolz „Millenial“ nennt und mich mitleidig „Babyboomer“, bei jungen Menschen ein anderes Wort für „totes Holz“. Anna, die nebenbei bei Internetfirmen jobbt, soll mir die Regeln jugendlicher Internet-Kommunikation beibringen, damit meine Söhne meine Nachrichten nicht immer mit Augenroll-Emojis beantworten.
Regel Nummer eins, sagt Anna: Ein klares Profilfoto. Ältere Herrschaften, sie meint mich, pflegten offenbar eine Leidenschaft für Rate-Motive. Annas Onkel zum Beispiel hat einen Strandkorb als Porträt; gern würden auch Blumengebinde, Bergpanoramen oder exotische Gerichte genommen. Alles Unsinn, sagt Anna. Junge Leute wollen kein Quiz, sondern sofort wissen, mit wem sie es zu tun haben. Eindeutig ist King.
Womit wir beim zweiten Fehler wären: Stolz auf unsere digitalen Fähigkeiten, bauen wir aus Emojis kleine Bildgeschichten: Banane, Salatkopf und ein Herz bedeuten etwa, dass das Kind mal wieder was Vitaminhaltiges zu sich nehmen sollte. Dummerweise löscht der Nachwuchs derlei Bilderrätsel umgehend. „Finden nur Alte witzig“, sagt Anna. Dasselbe Schicksal droht Urlaubsfotos mit Fischplatten, Glückskeksweisheiten aus der Vogel-und-Wurm-Klasse sowie Videos, deren Wert sich nicht innerhalb von Sekunden erschließt. Ihre Oma, sagt Anna, schicke oft Filme von russischen Arien, für die sich Anna bedankt ohne sie anzusehen. „Ich hätte ihr die Weiterleitungsfunktion nicht erklären sollen.“
Der kommunikative Graben zwischen den Generationen ist offenbar deutlich tiefer als ich bislang vermutet habe. Grundregeln der Höflichkeit wie Anrede oder Verabschiedung nerven unsere Kinder. Posts sind weniger mit einem handgeschriebenen Brief als vielmehr mit einem Schulhof-Zuruf zu vergleichen. „Gib ma´ Radiergummi“ gilt bereits als geschwätzig; oft muss ich mich auf die Frage, wann der junge Herr denn nach Hause zu kommen gedenke, mit einem „ka“ begnügen. Übersetzung: „Keine Ahnung“. Bitte entschuldigen Sie vielmals die Störung.
„Wir filtern brutal“, erklärt Anna. Keine Zeit. Zuviel Info. Offenbar eine Art Tinder-Syndrom. Wenn Inhalt oder Absender die jungen Leute nicht sofort kicken, wird weggeflippt. Und ignoriert. Anna übersetzt: Keine Antwort, sagt Anna, sei die höfliche Umschreibung von: „Sorry, Du nervst, Alter. Gib´ Dir bitte mehr Mühe, mich zu unterhalten.“ Lustigkeit und Relevanz sind individuell verschieden.
Test: Wer ist in der WhatsApp-Familiengruppe am aktivsten? Nun, ich will wirklich keine alten Rollenbilder aktivieren, aber: Ja, es ist die Familienvorsitzende. Sie arbeitet nach dem Blauwal-Plankton-Prinzip: Irgendwo in der Masse Kleinkram wird sich schon was Nahrhaftes für alle finden. Und wer postet am wenigsten? Richtig – die Kinder, es sei denn, es geht um Essen, Urlaub oder Geld. Der abendfüllende Film über die Verlobung eines entfernten Schwippschwagers wird allenfalls aus Höflichkeit oder bei Langeweile angeschaut, also nie.
Sollte ich mich wieder einmal fragen, ob ich die Kinder mit einer Mitteilung behelligen soll, rät Anna zum Perspektivwechsel: Einfach fragen, ob die Kinder diesen Post auch verschickt hätten. Meistens lautet die Antwort: Nein.
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