Likes bei Facebook oder Instagram sind eine wichtige digitale Währung. Merkwürdige Agenturen bieten im Internet Herzchen und Daumen zum Kauf an. Darf man das? Bestimmt nicht. Unser Kolumnist hat es dennoch gewagt.
Das Brutalste am digitalen Zeitalter ist die Ungerechtigkeit. Da rackert man sich ab für wegweisende Beiträge. Doch kein Schwein hält mal an, um zu lesen oder zu liken. Nehmen wir nur unser Netzentdecker-Interview mit dem charismatischen EU-Kommissar Günther Oettinger. Der Mann äußert sich kompetent zu Fake-News und Wahlmanipulationen und ist bekanntermaßen stets für einen Scherz gut. In den Tagesthemen hätte so ein Gespräch einige Millionen Zuschauer gefunden, auf dem Netzentdecker-Kanal bei YouTube waren es bislang 38 (achtunddreißig), also seit Mai etwa zwei pro Woche, wovon wohl die eine Hälfte von Oettingers Leuten stammte und die anderen von uns. Oder ein hübsches Interview zu digitalen Nachbarschaftsnetzwerken mit dem Soziologie-Professor Heinze von der Ruhr-Uni Bochum. Unsere Twitter-Ankündigung blieb ohne jeden Like. Ist das gerecht? Nein. Dauernd wird über Grundrente und Grundeinkommen geredet; höchste Zeit, mal über das Grundrecht auf Likes zu reden.
Selbsthilfe ist gefragt. Ich starte meine persönliche Klick-Offensive mit einer Rundmail an Freunde, Bekannte und finanziell Abhängige, meine beiden Söhne zum Beispiel. Auf einen YouTube-Like lassen sie sich gerade noch ein. Fazit: irrer Aufwand, um Oettinger auf 40 (vierzig) Abrufe zu peitschen, plus noch zwei von mir.
Praktisch beiläufig gebe ich bei Google „Likes kaufen“ ein. Mein Rechtsbeistand, der Dortmunder Internet-Jurist Martin Wilkel, rät dringend ab. Die Algorithmen könnten feststellen, ob es sich um Fakes handelt. Falls die Sache auffliegt, wird der Account gesperrt. Das Landgericht Stuttgart hat 2014 ein Unternehmen auf Unterlassung verurteilt, das knapp 15.000 Likes aus Indonesien, Indien und Brasilien gekauft hat. Nach Ansicht des Gerichts handelte sich um irreführende Werbung. Kann man Reklame für einen EU-Kommissar bestrafen? Niemals.
Erste Erkenntnis: Das Netz ist voll von Anbietern, ob Facebook, YouTube, Twitter, Instagram, von 99 Cent bis zu mehreren hundert Euro – alles zu haben. Ich buche 50 Twitter-Likes für Professor Heinze bei Social Media Daily aus Berlin und rufe testhalber bei der Hotline an. Eine nette Dame beruhigt mich, als ich das Stuttgarter Urteil erwähne. Nichts sei illegal, weil es sich ja um echte Menschen handele, die gegen ein kleines Honorar Klickdienste verrichten. Ob Twitter was dagegen habe, frage ich. Keine Sorge, sagt sie. In zwei Tagen trudeln tatsächlich 50 Likes ein, von Menschen mit exotischen Namen, die allerdings ein Merkmal gemeinsam haben: null Freunde, null Likes. Botsblitz.
Mehr Likes bedeuten nahezu automatisch mehr Interesse. Ob Kaffeemaschine, Post oder Hotelbewertung – Bewertungen schaffen Aufmerksamkeit. Und die muss nicht teuer sein. 30.000 Instagram-Follower zum Preis von einem Paar Sneaker; damit lässt sich das Sozialprestige etwa bei Teenies oder Spielerfrauen heben. Like-Kauf macht allerdings auch abhängig. Hatte das Foto gestern 100 Herzen, kann das Bild heute nicht ohne gekauften Jubel bleiben – das Botox-Prinzip. Lohnenswert ist der Sympathieerwerb kaum. Für 200 Euro Zustimmung kaufen, um von YouTube 20 Euro für die gestiegene Reichweite zu kassieren – das scheint kein überzeugendes Geschäftsmodell.
Testfall zwei: Günther Oettinger. Der Mann ist seinen Kommissarposten bald los, da wird ihn das YouTube-Paket von LikesAndMore aus Offenbach aufmuntern. Für 25 Euro und 99 Cent spendiere ich 3.000 Abrufe und 200 Likes. Regulär hätten wir dafür bis zum Jahr 2.100 warten müssen. Keine halbe Stunde nach dem Kauf schnellt die Zahl der Oettinger-Gucker tatsächlich auf über 100, am nächsten Morgen hat der Film über 3.000 Abrufe. Sauber ist das nicht. Aber es war für Europa.
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