Hajo will eine App programmieren, per Online-Kurs. Klingt leicht, ist hart. Denn zunächst muss sich der Internet-Praktikant klar werden, was er eigentlich erreichen will.

 

 

Ich hatte mir E-Learning leichter vorgestellt, irgendwie betreuter. Dummerweise muss ich mich selbst motivieren, kontrollieren und auch noch eine Abschlussarbeit vorlegen. Welcher Abschluss? Der ersten Woche. Und die dauert schon einen Monat. Es war eine verwegene Idee, dieses App-Programmieren mit einem Online-Kurs lernen zu wollen. Ich bin vielleicht nicht zu doof, aber auch nicht die Kerze, die an beiden Enden brennt. Im Silicon Valley wäre ich bestenfalls ein Coffee-to-go-Anreicher geworden. Tückischerweise schmeißt mich diese E-Uni nicht raus wegen Trödelei. Dann könnte ich die Schuld wenigstens delegieren, von wegen: So wird in diesem Internet mit Hochbegabten umgegangen.

Die frühen Lerneinheiten gingen noch. Dass eine App Bilder, Sprache, Links und Grafik braucht, hatte ich mir fast gedacht. Den ersten Test hatte ich mit Bravour bestanden. „Kann man ein Layout in einem anderen einbetten?“ Ja, hatte ich kühn geraten. Treffer. Oder: „Ist es möglich, verschiedene `Views` für das graphische User Interface anzuwenden?“ Klingt gut. Wieder richtig.

Jetzt sollten wir selbst kreativ werden und ein Storyboard erstellen, also den skizzierten Bauplan mit Seiten, Funktionen und Verknüpfungen. Einige Stunden suchte ich nach einem altersgerechten YouTube-Video, das mir die einfachste Skizze für eine superschlichte StartApp liefert, natürlich nicht, um zu klauen, eher so zum Gedankenleihen. Aber das weltweite Netz hatte sich wieder gegen mich verschworen. Alle diese jungen, aufgekratzten Menschen sagten zu Beginn „kinderleicht“ oder „ganz einfach“. Und zwei Minuten später war ich abgehängt, weil ich mir eigene Gedanken machen sollte, was ich mit meiner App überhaupt will. Wenn ich das wüsste.

Die anderen Teilnehmer stammen aus Marokko, Ägypten, Weißrussland und Indien. Ich fühle mich wie Jogis Jungs Ende Juni 2018 – international nicht ganz konkurrenzfähig. Als Vertreter des Dichter- und Denker-Landes verspürte ich globalen Erwartungsdruck. Jetzt nicht schlapp machen. Dranbleiben. Ich besann mich auf meine journalistischen Kernkompetenzen: Dramatisieren, Übertreiben und Zuspitzen auf das Wesentliche. Elevator pitch. Simplify. Jetzt.

In der Not hilft ein 3-Punkte-Plan, mit den einfachen Fragen: Warum? Was? Wie?

 

  1. Warum diese App? Ich will arglose Menschen auf meine Webseite www.netzentdecker.de locken.
  2. Was macht diese App? Mit Provokation weckt sie Neugier und löst unbändigen Hunger nach mehr Information aus, den die Webseite stillt.
  3. Wie sieht die App aus? Ein Quiz, das mit ironisiertem Internet-Sprech unterhält, aber zugleich Bildungslücken des Nutzers berührt.

Mit dieser Idee würde ich vermutlich kein Milliarden-Unternehmen begründen, aber zumindest den Zugang zur zweiten Lernwoche erschlawinern. Denn mein App-Entwurf wird von den Mitstreitern aus aller Welt begutachtet.

Ich malte die erste Seite mit dem Hammertitel „Netztricks“. Das klang ein wenig nach „Netzstrumpf“, und Sex sells ja. Untertitel: „Weinen vor Glück – mit diesem kostenlosen Quiz kapierst du alle geheimen Tricks der Internet-Mafia.“ Emotionen, Spielereien, Geheimnisse, das Böse, gratis – alles drin. Und auch nicht mehr geflunkert als die Mitbewerber. Aber immer noch keine App.

Auf die Startseite kommt ein Knopf mit dem aufmunternden Kommando „Los geht’s!“ Dann wird der User über fünf Seiten mit je einer Quizfrage und drei Antwortoptionen geführt, Beispiel: Welches Computerspiel zockt Kanzleramtsminister Helge Braun? Pokemon Go? Call of Duty? Plague Inc.? Ganz egal, was der Nutzer antwortet, am Ende lautet das Ergebnis stets: „Du musst noch viel lernen. Willkommen bei den Netzentdeckern.“ Die Klicks werden durch die Decke gehen. Jetzt nur noch rasch Marokko, Ägypten, Weißrussland und Indien überzeugen. Ich bleibe dran.

 

Den Bewerbungsfilm, den Hajo Schumacher für seine App gedreht hat, findet ihr bald hier.

Fragen oder Anregungen bitte an fragen@netzentdecker.de