Großeltern, jetzt stark sein: Verbrennen Sie Ihre Kreditkarte, vergessen Sie die PIN-Nummer, vergraben Sie alles Bargeld. Wer jetzt loszieht, um den Enkeln rasch noch was Elektronisches zu schenken, wird sich Ärger einhandeln.
Bevor wir uns in eine digitale Zukunft aufmachen, in der keine Sprache mehr gebraucht wird, weil implantierte Chips alles aus unseren Hirnzellen lesen, hätte ich gern noch auf ein sprachliches Missverständnis hingewiesen. Gerade in dieser Zeit des Jahres dreht sich ja viel um den Akt des Verschenkens. Das klingt zunächst mal positiv. Aber bedeutet die Vorsilbe „ver-“ nicht durchweg Fürchterliches? Laufen ist okay, verlaufen nicht. Legen ist gut, verlegen nicht. Vergessen, Verbummeln, Verlassen – oft wird es tragisch, sobald ein „ver-“ das Verb anführt. Womit wir bei dem schönen deutschen Tu-Wort „verschenken“ wären. Was ist, wenn das Geschenk beim Empfänger keine Freude auslöst? Dann hat der Präsenter daneben gelegen: Er hat sich verschenkt.
Das Verschenkt-Gespenst lauert alsbald wieder unter Millionen Weihnachtsbäumen. Denn so kurz vor der Bescherung wird die Generation der kaufkräftigen Analogen, überwiegend Großeltern, vom schlechten Gewissen geplagt. Den Wunschzettel haben Opa und Oma schon Ende November abgearbeitet; aber war das wirklich genug? Vielleicht doch noch das Tablet draufpacken, die Spielekonsole oder eine fette Boombox. Viele Großeltern sind noch traumatisiert vom letzten Fest, als sie klassisch mit Teddybär und Bilderbuch anrückten, während die Enkelchen mit einer PlayStation, dem Netflix-Abo oder wenigstens irgendeiner Prepaid-Karte gerechnet hatten. Nur die Unvorsichtigsten wollen das Offensichtliche auch noch in Worte gefasst haben und fragen: „Freust du dich denn gar nicht?“ Die Antwort könnte weite Teile der Schenkenden verunsichern. Den Rest der Feiertage starrten die Rangen jedenfalls missmutig in ihr Smartphone, das auch schon wieder über ein Jahr alt war, anstatt Opa und Oma mit Liebe zu überhäufen.
Na gut, bekommen die Enkel dieses Jahr halt auch noch was Digitales. Und schwupp, geht die Oma-Falle auf, getrieben von Präsente-Panik, dass zu wenig unterm Baum liegt. Nun wissen wir Analogen gar nicht so genau, was unseren digitalisierten Kindern Freude macht. Wir kennen uns nicht aus damit. Und schon nimmt das Unheil Fahrt auf. Denn man fragt erstens den Fachverkäufer eines Elektronikmarktes. Wer, zweitens, die Eltern fragt, hört durch das Wutschnauben die Information, dass die Brut genug Daddelkram hat, der vielleicht wenigstens zu Weihnachten für ein paar Momente zur Seite gelegt werden könnte. Drittens, und am schlimmsten: Wir fragen die zu Beschenkenden selbst, deren per WhatsApp übermittelte Nachtragswunschliste eine Spielemaus, kabellose Kopfhörer, das neueste iPhone oder wenigstens einen Mobilfunkvertrag mit Flatrate aufführt.
Das Ergebnis von Last-Minute-Einkäufen ist immer niederschmetternd: Denn der Fachverkäufer verbimmelt uns irgendeinen überteuerten Ladenhüter mit Stecker dran, während die Eltern was pädagogisch Wertvolles fordern, das immer in Buchform endet und nur mäßige Euphorie auslöst. Und wenn man auf die Kinder hört, kriegt man Ärger mit den Eltern, die das Ballerspiel bei weitem nicht so unterhaltsam finden wie die Kleinen, die der Oma noch treuherzig versichert hatten, dass man beim Egoshooter aus dem Zweiten Weltkrieg ganz viel für den Geschichtsunterricht lerne.
Ultimativer Geschenketipp für Großeltern: Planen Sie mindestens einen Vormittag im Fachgeschäft ein. Testen Sie bis zum Hausverbot alles an Gerätschaften, Games und Spielereien, die geboten werden. Suchen Sie nur das aus, was Ihnen selbst richtig viel Spaß macht. Kaufen Sie einen großen Karton voll Energy Drinks und Tiefkühlpizza. Lassen Sie die Enkel das Gerät am Heiligen Abend einrichten, spielen Sie die Weihnachtsfeiertage bei Pizza und Limo durch, idealerweise solange, bis Sie jeden Enkel einmal besiegt haben. Frohes Fest.
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