Schon mal was von SEO gehört? Hajo auch nicht. Doch nun hat er gelernt, wie man Texte so aufhübscht, dass die Weltmacht Google sie ganz nach oben rückt.

 

Hundebabies

 

Sex, Hundebabies, Helene Fischer. Eigentlich wollte ich diesen Text mit derlei Appetitanregern beginnen, um Spannung zu erzeugen. Keine brillante Idee, sagt Benjamin. Der Leser würde den Trick spätestens jetzt merken. Benjamin weiß, wie Leser ticken. Er gibt mir eine Nachhilfestunde in „SEO“, jene Geheimwissenschaft, die meinen Beruf als Journalist in den letzten Jahren dramatisch verändert hat. SEO – diese drei Buchstaben stehen für „Search Engine Optimization“, zu Deutsch: Suchmaschinenoptimierung, oder verständlich: lecker Futter für Google.

Früher mussten Texte dem Chefredakteur einer Zeitung gefallen, heute ist Google die Instanz; weiches Bauchgefühl wird durch harte Daten ersetzt. Der Wortkomponist, einst ein Star, gilt heute nichts mehr ohne einen Benjamin, der den Text so zurichtet, dass er Google gefällt. Drei Milliarden Anfragen bearbeitet die Monopolmaschine täglich, und listet minutengenau auf, welche Worte die Menschheit gerade bewegen. Bequemerweise nehmen wir einen der ersten drei Treffer. So werden nur Beiträge, die ganz oben bei Google stehen, gelesen, geteilt, kommentiert, was nicht zwingend mit der Güte des Textes einhergehen muss.

Googles Suchmechanismus wird penibler geheim gehalten als die Coca-Cola-Formel, doch Spezialisten wie Benjamin Köhler, 28, knacken zumindest Teile. Er sorgt als SEO-Hexer in der Online-Abteilung der Funke-Mediengruppe für suchgerecht gestaltete Geschichten. Benjamin hat Journalist gelernt, mal ein Magazin herausgegeben, sich im Selbststudium in SEO vertieft. „Ich bin ein Hybridwesen“, sagt er, „zwischen Journalismus und Technik“, und deutlich mehr gefragt als wir altmodischen Zeilendrescher.

Ich bin altersgerecht skeptisch: Weil SEO eine globale Wissenschaft ist, mit der alle großen Webseiten arbeiten, sorgt die Monopolsuche für Gleichförmigkeit. Abweichendes, Überraschendes, Schräges hat wenig Chancen. So werden globale Hysterien oder Relevanzverschiebungen begünstigt. Was fällt Google überhaupt ein, mir Vorschriften zu machen? Was hätte Goethe gesagt? Entsteht hier eine neue Sprache, ein massenkompatibles „Googlish“; werden Texte wie Burger durchindustrialisiert? Verschwinden schöne, seltene Wörter wie „Lustwandeln“? Stirbt erst die sprachliche Vielfalt und dann der Journalist, also ich? Wenn Software alle Erfolgsregeln kennt, wird sie eines nahen Tages auch das Schreiben übernehmen, schneller, billiger, klicksicherer.

Hochmotiviert frage ich, ob Reizworte wie „Sex“ oder „Hundebabies“ oder „Helene Fischer“ für mehr Klicks sorgen. Benjamin schüttelt den Kopf. Früher ja, da hat Google mit einer groben Harke nur nach Reizwörtern gesucht. Weil die Maschine aus der täglichen Datenmenge ständig lernt, soll sie inzwischen Zusammenhänge kapieren, Aktualität erkennen, Plagiate entlarven und mundgerechte Präsentation erkennen.

Benjamins Regeln sind einfach: Schlüsselbegriffe in Überschrift und Textanfang (Anregungen finden sich bei „Google Trends“), ein ausführlicher Text ohne kopierte Inhalte, dazu Zwischenüberschriften mit kombinierten Schlüsselbegriffen, eine Kurzversion in Stichworten für die Ungeduldigen, den Leser direkt ansprechen und alles für das Smartphone aufbereitet, also eher wisch- als klickbar.

Ist dieser Text nach Benjamins Kriterien zu retten? Wie lauten meine Schlüsselbegriffe? „Lustwandeln“ bringt´s auf 300 Suchanfragen, im Monat. Benjamin rät zu „Digitalisierung für Dummies“ und schaut etwas mitleidig auf meinen Laptop. „Diese Geräte“, sagt er milde, „sind ja eher was für Ältere. Und die sind bald tot.“ Ich klappe meinen Rechner leise zu und nicke. Aber vorher werde ich noch einen smartphone-tauglichen Text versuchen.

 

Mit Benjamins Hilfe habe ich diesen Text fürs Internet verändert und optimiert. Das Ergebnis finden Sie hier – vergleichen und kommentieren Sie.