Sesterzen, Taler, Reichsmark – jede Währung stirbt. Aber welches Geld mag in digitalen Zeiten länger überleben: 50 Euro oder 0,011 Bitcoin?

 

 

Soll ich meinen schönen, fast druckfrischen 50-Euro-Schein wirklich gegen Bitcoin tauschen? Warum nicht gleich Glassperlen? Jeff Gallas, 34, lächelt. Er ist ein netter Kerl, macht was mit Kryptowährungen und führt mich durch Deutschlands Bitcoin-Valley, den Graefe-Kiez in Berlin-Kreuzberg, eines dieser Hip-Nester wie in Prag, Kopenhagen oder Toronto, wo Bargeld ein anderes Wort für „Rentner“ ist. Berlin hat den Hype schon fast wieder hinter sich. Denn mit den Mieterhöhungen flohen die Pioniere. „Ihr habt doch mal Bitcoin genommen“, fragt Jeff in einem Café. Der Besitzer nickt zunächst und schüttelt dann den Kopf. Das war 2012, als die Finanzkrise in unser aller Knochen saß und der Bitcoin just erfunden war.

Bitcoin ist wie 5G – zunächst mal das Versprechen einer besseren Zukunft. Weil die digitale Währung auf 21 Millionen Einheiten begrenzt ist, lässt sie sich nicht beliebig vermehren und wird daher auch als „digitales Gold“ bezeichnet, das nicht von Staaten und deren Zentralbanken ausgegeben wird, sondern gleichsam von Nutzern erschaffen und erhalten. Wie ein weltweites Computersystem Bitcoin schürft, wird hier erklärt. Nachteil: Die neue Währung fasziniert auch Kriminelle und Spekulanten. Mal war ein Bitcoin praktisch nichts wert, mal weit über 10 000 Euro. Derzeit erlebt die Finanzwelt eine Abwartephase: Lässt sich die zweifellose brillante Idee des Kryptogeldes mit der Realität langsam versöhnen?

Soll ich nun ausgerechnet in die abkühlende Krypto-Euphorie 50 echte Euro in Bitcoin investieren? „Währungen sind Vertrauen“, sagt Jeff. Stimmt. Eine Zahl auf meinem Konto ist ja auch kein echter Wert, sondern nur die Abmachung zwischen mir und der Bank, zwischen Kunden und Lieferanten, dass wir alle diesen Zahlen vertrauen und sie gegen Waren oder Arbeit oder Zeit tauschen. Dieses Vertrauen aber hält nie ewig. Ob Sesterzen, Taler, Reichsmark, bei Währungen ist nur auf eines Verlass – ihr Ende. In der Türkei oder in Venezuela sollen vermögende Menschen ihr Vermögen in Bitcoin wechseln, weil sie dem Krypto-Geld mehr vertrauen als ihren wackeligen Landeswährungen.

Also gut, her mit den Bitcoins. Jeff schickt mir gut 0,011 Bitcoin in meine Geldbörsen-App dem Handy.  Der Kurs steht bei 4444 Euro. Im Room 77, „das Restaurant am Ende des Kapitalismus“, wo laut Eigenwerbung warmes Bier, kühle Frauen und sehr langsam zubereitetes Fastfood angeboten werden, könnte ich jetzt unser Bier bezahlen, wenn, ja wenn die Bitcoins schon bei mir angekommen wären. Womit wir bei einem der größten Probleme aller Kryptowährungen wären: Zeit und Energieaufwand. Jeder Bitcoin, jede Transaktion ist geschützt durch das aufwendige Blockchain-System, das immens viel Rechenleistung und Strom verschlingt. Würden sich Kryptowährungen global durchsetzen, ginge 2024 der gesamte Weltverbrauch an Strom dafür drauf. Mit seiner Firma „Fulmo“ arbeitet Jeff Gallas an einer effizienteren Lösung.

Im Room 77 treffen sich Bitcoin-Fans wie Jeff, vorwiegend junge Männer mit Programmier-Hintergund, deren sanft-überlegener Silicon-Valley-Blick signalisiert, dass sie vielleicht schon jetzt, aber bestimmt sehr bald reich, berühmt oder beides sein werden. Im Room 77 haben schon TV-Sender aus aller Welt gedreht, vor allem nach der letzten Finanzkrise vor zehn Jahren, als das Vertrauen in Banken und Euro vorübergehend verschwunden war. Jörg Platzer, 51, der den „Room 77“ betreibt, ist ein Krypto-Veteran aus der Hacker-Szene, der seit drei Jahrzehnten von einer basisdemokratischen Währung träumt, die auf sauberen mathematischen Grundlagen ruht. Dass sich der Bitcoin oder seine Geschwister eines Tages durchsetzen, ist für ihn ausgemacht, spätestens in zwei, drei Finanzkrisen, wenn das Vertrauen der Menschen in das Notenbanken-System endgültig ruiniert ist. Ich bin darauf übrigens bestens vorbereitet: Der Wert meines Bitcoin-Anteils ist in wenigen Wochen um drei Euro gestiegen.